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Was bedeutet ein "negativer Zinssatz" für dich?

Negative Zinssätze: Der Name legt nahe, dass sie vermieden sollten, aber wie bei vielem in der Finanzwelt ist die Bedeutung etwas komplizierter.

 

Um negative Zinssätze zu verstehen,  gehst du von einem Standardzinssatz ausDas ist der Prozentsatz, der verwendet wird, um zu berechnen, wie viel dir jeden Monat für die Aufnahme eines Kredits berechnet wird oder wie viel du für das Halten deiner Ersparnisse auf der Bank erhältst. Die Zinssätze werden von den Zentralbanken, in der Schweiz von der Schweizerischen Nationalbank (SNB), festgelegt und hängen von deiner persönlichen Situation ab - dem geliehenen Betrag, der Laufzeit des Kredits -  aber auch von Dingen, die du nicht kontrollieren kannst, konkret der Wirtschaftslage.

Wenn die Wirtschaft Probleme hat, senken die Zentralbanken den Zinssatz. Das bedeutet, dass Geschäftsbanken (UBS, Credit Suisse...) mehr Geld von der Schweizerischen Nationalbank beanspruchen und so ihren Kunden höhere, längere und mehr Kredite gewähren können. Je mehr Kredite eine Person aufnehmen kann, desto mehr kann sie ausgeben, und so belebt unser geliehenes Geld theoretisch die Wirtschaft. Wenn dies jedoch unkontrolliert bliebe, würde die Schweiz eine untragbare Inflationsrate verzeichnen und Geld wertlos werden.

Um das zu verhindern, erhöht die Zentralbank die Zinssätze, was bedeutet, dass die Kredite niedriger, kürzer und seltener werden. Bildlich gesehen funktioniert das Ganze wie eine altmodische Waagschale: Inflation belastet die eine Schale, Deflation die andere, und der Zinssatz wird je nach Bedarf erhöht oder gesenkt, um die Wirtschaft im Gleichgewicht zu halten.

Abbildung 1

Auf dem Höhepunkt der Hyperinflation 2009 verteilte Simbabwe „einhundert Billionen Dollar-Scheine“, die meisten Nullen aller je existierenden gesetzlichen Zahlungsmittel. An einem gewissen Punkt reichte eine solche Note nicht einmal für eine Busfahrkarte. 

In Grossbritannien ist die Wirtschaft im Jahr 2020 (nicht überraschend) eingebrochen. Als Reaktion darauf hat die Bank of England die Zinssätze auf nur 0,1% gesenkt - den niedrigsten Zinssatz in der Geschichte . Das Wort "Kickstarter" beschreibt, was diese Raten bewirken sollen: einen Kickstart der Wirtschaft. Aber angesichts der Pandemie stellt sich die Frage, ob man Menschen dazu drängen sollte, wieder 'mehr auszugeben, wenn viele um ihre Arbeit und ihre langfristigen Finanzen besorgt sind'.

 

Sicher macht es keinen Sinn, die Verantwortung für die Wiederbelebung der gesamten Wirtschaft eines Landes auf die Schultern derer zu legen, die noch unter ihrem Niedergang leiden? Wenn die Rezession aber anhält, werden Grossbritannien negative Zinssätze prognostiziert. Die Frage ist nun: wollen wir das?

Die Vorteile

Im Spiel der negativen Zinssätze gewinnt die Regierung immer deutlich. Da Regierungen grösstenteils mit Krediten arbeiten, haben sie ein riesiges Defizit. Wenn die Zinsen für Kredite dann buchstäblich im Minus sind bedeutet das eine Zahlungspause. So lange, dass sie dafür bezahlt werden, Schulden zu haben - klingt traumhaft, oder?

Auf die gleiche Weise können wir von Negativzinsen profitieren - wenn auch in einem viel kleineren Massstab...

Beispielsweise:

Bei einem Privatkredit von 1.000 £, der in 2 Jahren zum aktuellen Zinssatz von 0,1 % abbezahlt werden muss, würdest du jedes Jahr 12,03 £ Zinsen zahlen. Bei einem Zinssatz von -0,1 % würden dagegen dir jedes Jahr £12,03 gezahlt werden - was effektiv bedeutet, dass dein Schuldner deine Schulden tilgt. Das klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es leider auch. 

Die Nachteile

Negativzinsen haben - ohne Ironie - viele negative Aspekte. Zum einen ist es gut für dich, für deine Kredite bezahlt zu werden, aber schlecht für Banken. Wenn Negativzinsen als kurzfristige Lösung eingeführt werden, können Banken entscheiden, „ die Kosten zu absorbieren, um die Wirtschaft zu retten". Wenn es sich jedoch um eine längerfristige Lösung handelt, werden Bankgebühren eingeführt. Das bedeutet, dass deine gewonnenen Zinsen in Form zusätzlicher Gebühren direkt an die Bank zurückfliessen. 

Zudem ist das gesamte Programm ein Versuch, die Wirtschaft wiederzubeleben. Wenn du also nicht sofort anfängst, deine höheren Kredite auszugeben, befindet sich die Wirtschaft weiterhin in einer Rezession und wir geraten in einen Schwebezustand, bei dem wir bezahlen, um zu sparen. Das wirkt, als wäre unser Geld unserer Regierung egal - es sei denn, wir geben es aus - und beweist einmal mehr, wie fehlerhaft das Trickle-Down-Wirtschaftssystem ist. 

Negative Zinsen und nationale Renten

The Independent macht auf den immer pessimistischen Trend des nationales Rentensystem aufmerksam. Derzeit "bekommt die durchschnittliche Rente rund 4,9% für jedes Pfund im Pensionstopf", verglichen mit 8% im Jahr 2007, "bei negativen Zinssätzen wird sich die Lage weiter verschlechtern". Das bedeutet, dass du zwar mehr Kredite aufnehmen kannst - die du unweigerlich zurückzahlen musst -, aber immer weniger Geld für die Pensionierung hast. 

Fast so, als ob negative Zinssätze ihre Nachteile in langfristigen Konsequenzen verstecken, in der Hoffnung, dass wir sie nicht bemerken. Erst hast du einfacheren Zugang zu Krediten und wirst sogar dafür bezahlt - genial! Eine Woche später dagegen musst du dafür zahlen, um Geld zu sparen. Und in einem Monat sinkt deine Pension von Sekunde zu Sekunde, und du weisst nicht mehr, wann du überhaupt in Rente gehen kannst. Was ist dann in einem Jahr, wenn die Wirtschaft immer noch vor sich hin dümpelt? Bisher sehen wir keine positiven  Ergebnisse bei einem Zinssatz von 0,1%. Wieviel mehr würde uns also ein negativer Zins nützen? 

Die Zukunft

Sir David Ramsden, stellvertretender Gouverneur der Bank of England, hat gegenüber The Evening Standard zugegeben, dass "derzeit negative Leitzinsen als Instrument zur Ankurbelung der Wirtschaft weniger wirksam wären". Wann hat "weniger wirksam" die Regierung jedoch je davon abgehalten? Trotz seiner Kommentare gehen "die Märkte immer noch von einer 50:50-Chance aus', dass bis Februar 2021 negative Zinssätze eingeführt werden.

Unabhängig davon: Negativzinsen haben keinen guten Ruf. Japan zum Beispiel führte bereits im Februar 2016 Negativzinsen ein, bisher nur mit wenigen - wenn überhaupt - positiven Auswirkungen (Abb. 2). Negative Zinsen können der Wirtschaft helfen, eine Rezession zu auszuhalten, aber richten mehr Schaden an, wenn es darum geht, wieder raus zu kommen. In den Kommentaren zu einem beliebigen Artikel über die aktuelle 'Bedrohung' durch Negativzinsen kannst du die öffentliche Meinung gut nachverfolgen: 


 

Sagt mir Bescheid, wenn [das anfängt] und ich hebe mein ganzes Geld ab und lege es unter die Matratze.

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Die Daily Mail-Kommentarspalte

Abbildung 2

Japan hat bereits 2016 einen Negativzins eingeführt und zahlt immer noch den Preis für diese Entscheidung.  

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